Aber was tun? Einfach in die Elfenbeinküste reisen und hoffen, dass ich dort passende Speichen bekomme? Ein neues Fahrrad besorgen? Ein neues gebrauchtes Fahrrad? Ein neues, nicht wirklich passendes Hinterrad ins Brompton einbauen? Oder ein neuer, anderer Speichenversuch?
In einem nahe gelegenen, relativ gut sortierten Laden an der Fernstraße gibt es tatsächlich eine Felge zu kaufen. Zwanzig Dollar für zwanzig neue Speichen. Alles was etwas teurer ist, wird gleich in US-Dollar kassiert, nur Kleinbetrage in Liberianischen Dollar. Aber es gibt keine Felge mit Zahnkranz drauf. Ich überlege, ob ich das Hinterrad komplett umspeichen lassen. Das neue Hinterrad ist etwas kleiner, die Speichen sind etwas kürzer.
Glücklicherweise haben ja die Speichen vom Vorderrad hinten gepasst, weil sie vorne den kürzesten Weg zwischen Felge und Achse nehmen, während hinten, wo die Achse durch die Gangschaltung dicker ist, schräg übereinander montiert sind. Wähle ich eine andere Schräge, könnten auch kürzere Speichen passen.
Ein Mototaxifahrar führt mich zu einer Werkstatt, wo Motorräder zum Teil aber wohl auch Fahrräder unter freiem Himmel repariert werden. Motorradwerkstätten sind überall in großer Zahl vorhanden. Es gibt ja auch viel, viel mehr Motorräder als andere Fahrzeuge. Typischerweise bekomme ich gern die Entscheidungen zunächst aus der Hand genommen, ohne dass die Leute wirklich helfen können. Ich lasse sie machen und fange danach von vorne an mit dem eigentlichen Problem.
Abraham, der Fahrradexperte hier, kommt aus der Elfenbeinküste und spricht lieber Französisch mit mir. Der plötzliche Wechsel ins Französische fällt mir schwer nach zehn Tagen Englisch in Sierra Leone und Liberia. Speiche heißt also Rayon, das erinnert an Sonnenstrahlen: Rayons de soleil.
Es dauert etwas, bis ich meine Idee vermitteln kann, aber dann werden von seinem Assistenten in rotem Hemd alle Speichen sowohl aus der alten als auch aus der neuen Felge ausgebaut. Ground Zero der Tour ist sozusagen erreicht.
Tatsächlich lässt sich mit den kürzeren Speichen aus der neuen Felge das alte Brompton-Hinterrad neu zusammensetzen. Es sieht auch ganz gut aus, wie Rothemd das Rad zunächst montiert. Allerdings hat die neue Felge nur 20 Speichen, ich brauche aber 28 für das alte Rad. Also gehe ich zurück zum Laden und kaufe eine weitere Felge.
Als ich zurück bin, hat Rothemd versucht noch ein paar alte Speichen zu montieren, obwohl ich ihm erklärt habe, dass eine Kombination von kurzen und längeren Speichen nicht funktionieren kann. Also muss er das wieder rückgängig machen. Außerdem lasse ich Schlauch und Mantel von vorne und hinten vertauschen, sodass der schon ziemlich abgefahrene Hinterreifen von nun an vorne ist. Ich bin einen Moment lang unaufmerksam und sehe so nicht, dass er auch die neuen Speichen nicht komplett nach dem gleichen Muster montiert. Jedenfalls eiert das Rad total, nachdem ich mich verabschiedet habe und versuche die paar Meter zu fahren. Eigentlich will ich als Testfahrt zurück zu der Stelle fahren, wo ich an der Tankstelle die Fahrt abbrechen musste. Aber ich höre schon am Ortsrand auf, stelle das Fahrrad im Hotelzimmer ab und brauche einfach eine Nacht Pause.
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