Fünf Stunden dauerte seinerzeit der Transport des Pergamon-Frieses auf Ochsenkarren zur Verschiffung in Dikili. Wir fahren die Strecke nun in umgekehrter Richtung. Carl Humann, der Ingenieur, ging vor 160 Jahren in Samos an Land, um seinem älteren Bruder Franz beim Straßenbau im Osmanischen Reich zu assistieren. Vor 40 Jahren verbrachte ich mein letztes von neun Schuljahren auf dem Carl-Humann-Gymnasium in seiner Heimat Essen-Steele. Heute säumen Olivenhaine, Baumwollfelder und Windparks die Schnellstraße Richtung Bergama alias Pergamon. Nur ganz leicht führt sie zunächst bergan, auch nachdem die Schnellstraße nach Izmir abgezweigt ist. Bergama erstreckt sich inzwischen kilometerlang im Tal. Dann erhebt sich vor uns die Akropolis: mehrere hundert Meter über der Stadt erkennt man eine Sammlung aufrecht stehender antiker Marmorsäulen. Wir checken ein in einem Hotelzimmer mit Blick auf den Berg. Ohne Gepäck machen wir uns auf den steilen Weg zur Akropolils. Besonders steil ist die Passage an der Talstation der Seilbahn von 2010. "Loshoppdallikerl" höre ich mich meinen früheren Klassenlehrer Otto Lippek antreiben. Das schmale Asphaltband windet sich nun in einem dreiviertel Bogen um den Berg. Die Stadt verschwimmt etwas im Dunst. Auf der anderen Seite blickt man hinab auf den halbleeren Kestel-Stausee von 2013. Am Eingang zum Archäologischen Park ist Schluss mit dem Radeln. Der Ticketverkäufer kann helfen: Das Grab von Carl Humann ist da hinten neben einem Baum. Schon 1998 war ich hier auf einer Nicht-Radtour. Erst im Nachhinein erzählte mir mein Ex-Reli-Lehrer Heinz-Josef Tillmann vom Grab. Auf Google Maps ist es eine eigene Location: "Carl Humann Mezarı (=Grab)". Milimetergenau richtig platziert. Der Ausgräber und Abenteurer, der an vielen Stellen im Osmanischen Reich wirkte, hatte seinen Wohnsitz zuletzt in Izmir, seinerzeit Smyrna, wo er nach seinem Tod 1896 bestattet wurde. Als der dortige katholische Friedhof aufgelassen wurde, kam es 1967 zur Umbettung. Im Stil dieser Zeit ist auch die schlichte Grabplatte, die etwas unterhalb von den Resten des Zeus-Tempels liegt, dessen Fries entsprechend den damaligen Verträgen nach Berlin gelangte. Jetzt setze ich Carl Humanns Grabstätte ein kleines digitales Denkmal: Ich lade zwei Fotos vom Grab bei Google Maps hoch.
|