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Acht Stunden Warten auf das kleine Boot
Montag, 23. Dezember 2024: Bissau - Fähre - Enxude - Nova Sintra - Canjabel (28 km)
Ich ziehe den Start von Hotel etwas hinaus, hoffe noch auf ein Frühstück, das ich dann aus eigenen Vorräten bestreite. Immerhin hatte ich ja schon gestern beim Einchecken ein Frühstück. Auch wenn man mir für halb acht ein weiteres in Aussicht gestellt hatte. Stattdessen haut da einfach der Nachtwächter ab. Nachdem ich gerade vergeblich versucht hatte, mit ihm zusammen das Schloss zu nutzen, um den hinteren Teil des Rades nicht immer wegklappen zu lassen.
Noch vor acht bin ich am Hafen beim Zugang zu meiner Fähre, die laut gestriger Information um neun Uhr fahren soll. Der Platz ist übersät mit Menschengruppen, die vermutlich alle mit auf die Fähre wollen. Mitten auf dem Platz eine lange Schlange, in der ich mich hinten anstellen soll. Ich merke mir ein paar Menschen rundherum.
Das Mädchen neben mir schickt Textnachrichten mit einem uralten Handy, ebenfalls von Tecno. In der Schlange bewegt sich lange nichts. Ich gehe mal ganz nach vorne. Da ist nur eine leere Bank. Auf der nimmt um halb neun genau der Typ Platz und verkauft Tickets, der vorhin schon gemosert hat, mit meinem Rad käme ich eh nicht auf die Fähre. Auch wenn ich beteuert habe, ich werde es klein wie die umstehenden Taschen falten.
Jetzt beobachte ich, wie er Tickets für 2000 CFA (rund drei Euro) pro Person verkauft. Jeder kauft natürlich mehrere. Es verläuft schleppend. Neun Uhr ist längst durch. Ich bleibe der letzte in der Schlange. Kurz bevor ich dran komme, bietet eine Frau von vorne an ein Ticket für mich mit zukaufen. Warum nicht? Den Preis kenne ich ja. Welchen Namen hat sie eintragen lassen auf der handgeschriebenen Passagierliste? Erst später lese ich, dass Ausländer sonst das Vierfache zahlen. Was mich an der Gültigkeit meines Tickets zweifeln lässt. Ganz abgesehen vom Problem der Fahrradmitnahme.
Am Hafenzugang sagt der Mann im Anzug, der als einer der ganz wenigen Französisch spricht, ich müsse noch fünf Minuten warten. Eine Lüge gigantischen Ausmaßes. Denn wie sich peu à peu herausstellt, fahren immer nur Gruppen von 25 Personen und ich habe den letzten Buchstaben des Tages abbekommen: P. P-5 heißt mein Platz. Jeder Meter Warteschlange heute Morgen bedeutet nun etwa eine halbe Stunde länger Warten. Meine Fixpunkte aus der Warteschlange haben sich über den Platz verteilt. Verschiedentlich halte ich Kontakt. Auf dem Gepäckträger wird eine kleine Plastiktasche zurückgelassen. Ob es ein Geschenk ist, weiß ich nicht. Sie wird mir hinterhergetragen, als ich neben P-Leidensgenossinnen schlafe - gegen mein Rad gelehnt.
Hauptsächlich lese ich Stunde um Stunde auf meinem Handy ein Buch aus der Onleihe über Sklaverei im 19. Jahrhundert. Dazwischen frage ich mich, warum all die Menschen, die wissen, dass sie den ganzen Tag auf die Fähre warten müssen, das tun und nichts Besseres zu tun haben.
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