![]() Türkei 2021 |
Chris | ![]() Mongolei 2022 |
on the | ![]() Anden 2023 |
Bike | ![]() West-Afrika 2024/25 |
|
Home: Touren | ![]() |
Bikes | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Karte | ![]() |
Suche & Kontakt |
|
Tour 5: Strasbourg - Santiago (2144 km) |
Weinberg, 1988, von Christoph Gocke
|
|
"Es gibt ein Leben vor und nach dieser Wallfahrt"
Der lange mühsame Weg nach Santiago de Compostela (Der Weinberg, Zeitschrift der Oblaten M.I., 1988) Vor tausend Jahren zogen die ersten Pilger aus Europa in die Nordwestecke Spaniens zum Grab des Apostels Jakobus des Älteren. Heute gehört Santiago de Compostela wieder zu den beliebtesten Zielen des Pilgertourismus. Gemeinden chartern Reisebusse, Pilgerbüros machen komfortable Angebote. Wer als einzelner wie die alten Pilger aus eigener Kraft das Ziel erreichen möchte, ist den Verlockungen der Zivilisation ständig ausgesetzt. Ein Wink, und bald hält ein Auto, das den Pilger durch den Regenschauer ins nächste Café bringt. Durchzuhalten ist nicht einfach. Christoph Gocke, Diplom-Theologe aus Essen, und sein evangelischer Studienfreund Hartmut Dilger aus Bad Urach nahmen die Strapazen einer rund 2200 Kilometer Fahrradwallfahrt von Straßburg bis ans Ende der mittelalterlichen Welt auf sich. Nach vier Wochen mußte Christoph vor der letzten Etappe aufgeben. 60 Kilometer vor dem Ziel hieß es Trampen statt Trampeln. Hartmut hielt bis zum Ende durch. Doch eine Jakobsmuschel, das alte Zeichen der Santiagopilger, haben beide in ihrem Zimmer aufgehängt, denn: »Der Weg ist das Ziel«, sagt man von dieser mühsamen Pilgerreise. Lange Zeit war die Fahrt fast problemlos verlaufen. In Straßburg, wo wir uns getroffen hatten, begann die Fahrt mit dem kirchlichen Morgengebet und einem kräftigen Frühstück bei den Franziskanern. Ein paar Regentropfen zum Abschied; dann schien drei Wochen lang die Sonne. Auf den ersten Etappen galt es zunächst, einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. 122 km am Rhein entlang waren am ersten Tag gut zu schaffen. Dann stellten Vogesen und Jura größere Anforderungen. In Burgund brachte ein Abstecher über Taizé den ersten Paß mit 419 m: Col des Chèvres. Doch planmäßig erreichten wir am Abend des vierten Tages das Karmeliterkloster Mazille in der Nähe von Cluny. Hier geriet der erste der regelmäßigen Ruhetage unversehens zum Ausgleichssport. Unter Leitung von Sr. Maria schleppten die Gäste Heu aus einer abgebrannten Scheune quer durch einen Wald, um es auf freiem Feld zum Trocknen vom Löschwasser auszubreiten. Berg-und-Tal-Fahrt Nach diesem Konditionstraining konnten wir das Zentralplateau in Angriff nehmen. Le Puy ist der Ausgangspunkt dieses schwersten der traditionellen Pilgerwege durch Frankreich, der sogenannten Via Podiensis. Hier erwartete uns die wohl größte Herausforderung der gesamten Tour. Zwei Tage lang ging es immer wieder aus Tälern auf Paẞhöhen von 1100 und 1200 m. Erschöpft erreichten wir am ersten Abend auf einem Hochplateau Aumont-Aubrac. Die Leute waren abweisend. Einzelpilger sind hier seltene und beargwöhnte Erscheinungen. Der Pfarrer war selbst auf Wallfahrt im Heiligen Land. Eine neuzugezogene Familie half uns, Quartier im Pfarrheim zu finden, das gerade umgebaut wurde. Es wurde schon dunkel, als wir endlich in die kahle Bergkirche zum Abendgebet gehen konnten. Mit eigenen Gebetbüchern bereiteten wir kurz den Gottesdienst vor. Alte Pilgertexte, Bibelstellen, in denen der Apostel Jakobus erwähnt wird, Wallfahrtspsalmen aus dem Alten Testament, traditionelle und moderne Pilgerlieder hatten wir zusammengestellt. Jeden Tag wählten wir passende Texte aus. Bei Gebet und viel Stille kommt der Körper zur Ruhe und zur Besinnung auf Pilger- und Lebensweg. Am nächsten Morgen der letzte und höchste Paß des Zentralmassivs, der Paß von Aubrac, 1375 m über dem Meeresspiegel. Kurz hinter dem Gipfel bietet eine schlichte Bergkirche seit Jahrhunderten den Pilgern Schutz vor Wind, Wetter und Wegelagerern. Daß die Kirche heute wieder gut zugänglich und gepflegt ist, verdankt sie der deutschen Jakobsbruderschaft in Düsseldorf. Wir blättern im Pilgerbuch, das neben dem Altar ausgelegt ist. Seit dem Frühjahr gibt es in jeder Woche Eintragungen von Deutschen und Franzosen, Einzelpilgern, Groß- und Kleingruppen. Noch sind wir keinem unserer Mitpilger begegnet, aber hier merken wir, daß wir nicht allein unterwegs sind. Wir spüren die Anziehungskraft dieses Weges auf ganz unterschiedliche Menschen. Aber kann man heute noch echter Pilger sein? Das völlige Ausgeliefertsein an die Natur ist nicht kopierbar. Schließlich hieß Pilgersein im Mittelalter Unterwegssein auf Leben und Tod. Doch bewußt hatten wir auf manches Gepäckstück und manche Sicherheit verzichtet. Vor allem das Zelt war in Deutschland geblieben. Spannend und unsicher wie in Aumont-Aubrac war so die Quartiersuche an jedem Abend. Eine kleine Hilfe war das Pilgerschreiben, das der Heimatpfarrer mit auf den Weg gegeben hatte: "Wir bestätigen ihre Ehrenhaftigkeit und bitten Sie, ihnen besonders bei der Übernachtung behilflich zu sein..." Selten zögerten die französischen Pfarrer daraufhin, uns den Katechismusraum zu überlassen. Auf den harten Fliesenböden rollten wir Isomatte und Schlafsack aus. Einfaches Leben sollte es sein. Vor allem ergaben sich so Kontakte zu den sehr bescheiden lebenden Pfarrern vor Ort. Unkompliziert stellt der 80jährige Pfarrer von Damerey eine Flasche Wein neben die Fahrräder. In Roulans lud Curé Coll zum Frühstück ein. Freunde am Weg Zum Dank bekamen alle Helfer am Wegesrand später eine Postkarte aus Santiago geschickt. Besonders gastfreundliche wie Pierre de Vedelly, der uns im herrlichen Célé-Tal eine Tüte voll Früchte gab, obwohl wir nur unsere Wasserflaschen auffüllen wollten, schenkten wir kleine Kreuze und Sterne aus Israel. Dort war übrigens die Idee zu dieser Pilgerfahrt entstanden. Während eines gemeinsamen Studienjahres an der Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem hatten wir beide (Christoph und Hartmut) uns kennengelernt. Hartmut, ein passionierter Fahrradfahrer auf der Schwäbischen Alb, wollte wissen, was Wallfahrt heute für Katholiken bedeute. Christoph hatte schon Erfahrungen mit einer ähnlichen Tour zum Papst in den Vatikan. Nach Rom und Jerusalem mußte nun der letzte der drei großen Wallfahrtsorte des Mittelalters her, Santiago de Compostela. Anziehungspunkt in Santiago waren vor allem die Gebeine des Apostels Jakobus. Er gilt als der Apostel Spaniens, seine Überreste sollen auf abenteuerliche Weise an der Nordwestküste gestrandet sein und wurden durch eine Vision wieder aufgefunden. Neben dem Glauben an die Heilkraft seiner Reliquien gab es auch andere Motive. Manch einer war von kirchlichen und weltlichen Gerichten zu dieser Wallfahrt gezwungen worden. Dies beseitigte die Straftäter für einige Zeit, wenn sie überhaupt jemals wiederkehrten. Doch heute wie damals reizt der Weg selbst, die Abwechslung der Natur, die Verschiedenheit der Menschen und der ungeheure Reichtum an vor allem romanischen Kirchen. Kirchportale mit unvergeẞlicher Figuren- und Formenvielfalt reihen sich am Wegesrand. Die teuflischen Bilder der Hölle in Conques mögen damals die Menschen eher erschreckt haben, beeindruckend sind sie heute noch. Und das Portal in Moissac hat Umberto Eco im Roman »Der Name der Rose" eindrucksvoll beschrieben: "Was sah ich da, welche symbolische Botschaft überbrachten mir jene drei kreuzförmig mit- und übereinander verschränkten Löwenpaare, auf- steigend in Bögen, die Hinterbeine einer jeden Bestie auf den Boden gestemmt und die Vorderpranken auf den Rücken der nächsten, die Mähnen gesträubt zu schlangenartigen Zotteln, die Zähne gebleckt zu drohendem Fauchen, die Körper mit dem Pfeiler verbunden durch ein Gewirr und Geflecht von Ranken?" Du wirst ein anderer Mensch Stundenlang saßen wir abends vor diesen Portalen bei einer Flasche Rotwein. Die Ruhe, die die Pilgertouristengruppen zurückgelassen hatten, verführte dann doch zum Romantisieren alter Pilgerzeiten. Dabei ging es vermutlich niemandem besser als den heutigen Pilgern. Wie sehr sich die alte Pilgertradition in den letzten Jahren wiederbelebt hat, erfuhren wir dann auf dem spanischen Teil der Wallfahrt. Schon Tage vorher das erste Straßenschild: Santiago de Compostela 946 km. Jetzt führten die verschiedenen französischen Pilger strecken am Fuß der Pyrenäen zusammen. Schon kreuzte sich der Weg mit sechs Bonner Studenten, die mit ihrem Studentenpfarrer ebenfalls per Drahtesel gestartet waren. Oben auf dem Pyrenäenpaß Ibaneta (1057 m) bei Roncesvalles starteten sechs Studenten aus Madrid auf den langen. Weg durch Nordspanien - mit fünf Fahrrädern und einem Auto fürs Gepäck. Zwei Tage später überholten wir fünf Basken, ebenfalls auf dem 'camino', "dem Weg", wie die Strecke nach Santiago in Spanien schlicht genannt wird. Die Mitpilger von heute bekamen langsam Konturen für uns. Hier traf man auch Urtypen der Pilgerschaft. Männer, unter der Last des Gepäcks gebeugt, mit Pilgerhut und Pilgerstab, allein. "Man kann den camino nur allein gehen. Alle wichtigen Dinge des Lebens mußt du allein machen", sagte Gustavo, argentinischer Musikdozent aus Pamplona. "Und später wirst du sehen: Es gibt ein Leben vor und nach dieser Wallfahrt." Tatsächlich, was relativ leicht begonnen hatte, wurde jetzt zum Kampf gegen sich selbst, zur inneren Überwindung. Jeder Hügel wurde zur Kraftprobe. Dazu kamen unliebsame Zwischenfälle. In Burgos wurde eine Fahrradtasche gestohlen. Aber wir hatten noch Glück; dem Studentenpfarrer wurde das ganze Rad samt Gepäck geklaut. Abends war in Spanien für die Pilger vorgesorgt. "Refugios" heißen die kostenlosen Unterkünfte für Einzelpilger. Unter dem gemeinsamen Namen verbargen sich ganz unterschiedliche Übernachtungsmöglichkeiten. In Astorga war es ein Zimmer mit Dusche, in Tardajo fand sich nur eine völlig verdreckte Matratze in einer zwei Quadratmeter großen Spelunke. Der Weg war das Ziel Machte uns schon auf den ersten spanischen Etappen ein heißer Südwind aus der Sahara zusätzlich zu schaffen, so wurden die letzten 500 km zur Tortur. Auf der 800 m hoch gelegenen Meseta-Ebene wehte uns jetzt plötzlich der Wind aus Westen entgegen. Bald brachte er Regen mit sich. Völlig durchnäßt erreichten wir Leon. Zwei Tage später trampelten wir fünf Stunden lang durch Landregen. Selbst die Schlafsäcke wurden naẞ. Vor Kälte zitternd fanden wir bei Benediktinern in Samos noch zwei Betten. Zwei Tage noch, das Ziel fast vor Augen. Dann am letzten Abend; gemeinsam planten wir die Ankunft in der Heiligen Stadt. Am Montjoie, dem Berg der Freude, der dem Pilger zum ersten Mal den Blick auf Santiago freigibt, wollten wir noch einmal beten, so wie wir es Tag für Tag aus dem Pilgergebetbuch getan hatten. Im letzten Moment sollte nichts daraus werden. In der Nacht bekam Christoph plötzlich starke Magenschmerzen. Es gab keine andere Möglichkeit für ihn, als per Anhalter weiterzufahren. Als Hartmut mit dem Fahrrad ankam, lag Christoph schon in der Klinik von Santiago. Wie sich später herausstellte, war die Krankheit ein Grippevirus. Letztlich haben wir beide das Ziel erreicht. Aber mehr als anderen ist uns klar geworden: Der Weg war das Ziel - ein lohnendes Ziel. Christoph Gocke |
Weiterer Bericht nach der Tour
Zur ganzen Tour 5: Strasbourg - Santiago (2144 km) Sep. 1987 |
|
Home: Touren | ![]() |
Bikes | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Karte | ![]() |
Suche & Kontakt |
|
![]() Negev 2017 |
Chris | ![]() Kuba 2018 |
on the | ![]() Uganda 2019 |
Bike | ![]() Saudi-Arabien 2020 |
© Copyright 2000-2025 Christoph Gocke. Alle Rechte vorbehalten. |