Merkwürdige Gesellen am
Friedensprospekt Kurz nach 22 Uhr verlasse ich das Hotel (Foto
links) über die Fußgängerbrücke Richtung Innenstadt. Verdammt dunkel. Auf
dem "Prospekt Mira", Friedens-Prospekt, fahren keine Autos, ein paar
Fußgänger verlieren sich im Dunkel, hier und da ein paar
Sicherheitskräfte. Eine leicht gespannte Atmosphäre. Im völlig leeren
Gartenrestaurant Imperial werde ich mit Metalldetektor abgetastet. Dann
kann ich draußen sitzen und gut essen. Beim Verlassen fällt mir das dazu
gehörige Hotel auf. Ich habe es beim Radln in der Stadt übersehen, weil
die Lampe vor dem Hotelschild nicht leuchtet. Wahrscheinlich wäre ich hier
besser aufgehoben gewesen. Gesehen hatte ich auf der andern Seite des
Friedens-Prospekts an der Straßenecke direkt gegenüber vom Lenin-Denkmal
Cyberland, das Internet-Café. Kurz vor Mitternacht gehe ich die Stufen
hinab zum Eingang. Die Tür ist zu, aber es brennt Licht. Ich klopfe. Ein
kleiner blonder Junge, maximal 15 Jahre alt, kommt an die vergitterte
Glasscheibe. Er erklärt mir, sie seien vom Café-Chef eingeschlossen, aber
der käme gleich wieder. Meine Frage, was er denn mache, wenn er jetzt nach
Hause wolle, versteht er nicht. Vor dem Café streiten sich Jugendliche auf
dem Friedensprospekt. Auch sie warten irgendwie auf den Café-Chef. Ein
anderes Internet-Café gebe es jedenfalls nicht, das jetzt noch auf habe.
Gegen Mitternacht kommt der Chef. Computer-Spiele könne ich ja machen,
aber das Netz funktioniere nicht. Morgen früh wieder. Ich gehe auf die
Staße. Ein Junge, "Arslan", vielleicht 20, spricht mich an. Ja, er kenne
da noch ein Internet-Café, das geöffnet sei. Er führt mich den
Friedensprospekt entlang, weiter vom Hotel weg. Ein, zwei Cafés tauchen
auf, geschlossen. Ich mache kehrt, sage, dass ich zurück zum Hotel wolle.
Der Junge begleitet mich. Ein zweiter taucht auf. Hält sich ein paar Meter
hinter uns. Kein gutes Zeichen. Ich nehme Kontakt zu ihm auf. Sein linkes
Auge ist ganz weiß mit einem kleinen roten Fleck drin. Um sie
abzuschütteln gehe ich in eine Kneipe. Auf drei Bildschirmen laufen zwei
Champions-League-Spiele. Alles ist duster. Ich gehe wieder raus. Die
beiden mit. Sie begrüßen eine Clique mit Handschlag und Kuss auf die
Wange. Bereden irgendwas. Meine Bedenken steigen. Habe kurz den Impuls,
einfach loszurennen, wegzurennen zum Hotel. Hätten die keine Chance.
Erscheint mir aber zu lächerlich. Als wir am Gartenrestaurant ankommen,
verabschiede ich mich überraschend ins Café. Arslan hält noch ein bisschen
meine Jacke fest. Ich sage, er soll das seinlassen. Der Mann mit dem
Metalldetektor ist nicht mehr da. Ich gehe auf Toilette. Habe Angst.
Überlege, ob ich jemanden vom Restaurant zu Rate, zu Hilfe ziehen soll.
Aber die Anlage ist so weitläufig, anonym. Ich bin zu nervös. Ein bisschen
geschafft von den 209 Kilometern heute. Nehme mir nicht die Zeit, mich
hinzusetzen, nachzudenken. Es sind keine 500 Meter bis zum Hotel. Es gibt
einen zweiten Ausgang vom Gartenrestaurant, der den Weg zum Hotel noch
verkürzt, aber der ist inzwischen zu. Als ich über den kaum beleuchteten
Hof zum richtigen Ausgang zurückgehe, spricht mich der Parkwächter an, ob
ein Auto mir gehöre. Ich überlege, ob er mir helfen kann. Habe keine Idee.
Vor dem Eingang steht ein Auto, kein richtiges Taxi, aber es könnte etwas
Ähnliches sein. Fahren wäre ein riesiger Umweg. Und meine Rubel-Vorräte
sind runter gefahren. 35 Kilometer vor der georgischen Grenze. Ich gehe weiter.
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