Durch die Umleitung liegt auch die einstige sozialistische Modellstadt Eisenhüttenstadt auf dem Weg. Ich irre ein bisschen über die großzügig angelegten Boulevards mit breiten Fahrradstreifen. Was für ein Kontrast zum Barock. Die Ecken, die ich kenne, finde ich nicht. So radle ich über den Spree-Oder-Kanal hinüber in den alten, konventionellen Ortsteil Fürstenberg. Und pausiere da am frisch polierten Denkmal der sowjetischen Gefallenen. Danach läuft es ganz leicht: mit Rückenwind durch die Ziltendorfer Niederung, bekannt durch die ein oder andere Hochwasser-Berichterstattung. Ein uriger Hafen gehört dazu. Danach führt der Radweg auf einer separaten Asphaltpiste direkt neben der Schnellstraße. Nicht übermäßig romantisch. Zuletzt geht's hinab nach Frankfurt an der Oder. Auf der anderen Seite sieht man den einstigen Vorort Dammvorstadt bzw. Gartenstadt, nach dem Krieg zur selbstständigen polnischen Stadt Slubice gemacht.
Es ist heiß, und ich flüchte mich mit einer Falafel unter die Schirme eines Dönerladens. An Marienkirche und Rathaus vorbei suche ich den Radweg zurück an der Oder. Als ich ob der mysteriösen Beschilderung an einer Kreuzung im Kreis fahre, empfiehlt mir ein junger Mann, am Ufer zu bleiben. Der kleine Pfad, gelegentlich ein bisschen sandig, führt mich nun ganz einsam und romantisch durch die Auen des Oderbruchs. Was natürlich nicht bei Hochwasser möglich ist. Erst kurz vor Lebus führt der Weg hinauf zum "Oberberg". Es ist noch ein bisschen früh, um hier zu übernachten. So entschließe ich mich, doch bis Küstrin durchzuradeln. Auch wenn das, so wie gestern, deutlich weiter ist, als geplant. An der "Diplomatentreppe" im Deich bei Reitwein genieße ich den direkten Blick aufs Wasser. Ein Radler, der in Stettin gestartet ist, setzt sich auf die Bank neben mir. Er kam wegen vieler Pfingstgottesdienste nicht dazu, die Kirchen von Stettin zu besichtigen. Heute war er auf den Seelower Höhen, wo eines der letzten großen Gefechte zwischen Deutschen und Sowjets im Zweiten Weltkrieg stattfand. Ganz hier in der Nähe. Aber für mich keine Alternative. Ich bin froh, wenn meine Knochen, vor allem das linke Knie, halbwegs halten. Kurz darauf sucht eine dicke, fette Schlange, die sich auf dem warmen Asphalt des Deichradwegs niedergelassen hat, vor mir das Weite. Reichlich Rehe sind mir in den vergangenen Tagen schon begegnet.
Küstrin ist mir seit dem Lateinunterricht am Carl-Humann-Gymnasium in Essen geläufig. Lateinpauker Koch ("Det is nich sechs, det is sechs-minus."), nannte es mit Berlin und Schwerin immer in einem Atemzug, um die Betonung auf der Endsilbe und ihre Etymologie zu erklären. - Die Bastion Küstrin ist nur noch in Rudimenten vorhanden. Das Hotel Bastion ist der Ur-Bastion ein bisschen nachgebaut. Ein riesiges Hotel, in dem ich wieder auf der polnischen Seite der Grenze übernachte.
Wegen der Größe des Hotels, glaubte ich, vor Ort unter Umständen günstige an ein Zimmer zu kommen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Rezeption will deutlich mehr Geld. Auch als ich auf booking.com verweise. So buche ich vor den Augen der Rezeptionistin das Zimmer in der App. Sekunden später kommt die Buchung aus dem Drucker. Zum günstigsten Preis.
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