Es gibt nur acht Sitzplätze im Flughafen, die nicht zu Restaurants gehören. Und die sind im Arrival-Bereich, direkt hinter der Absperrung, wo Menschen Menschen erwarten. Genau dort, wo ich vergangene Probleme hatte, als ich mein Fahrrad zusammenbauen wollte. Es dauert auch heute nicht lange, bis jemand auftaucht von der Security. Bis dahin hat Sara, eine junge Ägypterin neben mir, mit mir Kontakt aufgenommen. "Throw your Hijab away" habe ich ihr gerade einfühlsam geantwortet - auf ihre Klage, mit langer schwarzer Kleidung sei das mit dem Fahrrad fahren schwierig. Aber das Kopftuch mache sie doch noch schöner. Und sie ist verdammt schön. Trotz Kopftuch. Dann kommt ihr Vater durch die Sperre. Mutter etc. blasen zum Aufbruch. Vorher kann Sara noch mit dem kaum Englisch sprechenden Security-Leuten aushandeln, dass ich auf unbestimmte Zeit hier sitzen bleiben kann. Ich lese stundenlang die heutige Ausgabe der Arab Times. Hauptthema erstaunlicher Weise Kriminalität. Und da: Alkohol-Produktion und -Schmuggel. Anonyme Alkoholiker laden offen ein zu Hilfe. In einem Land, in dem Alkohol verboten ist.
Ich bin umgeben von Arrival-Jubel-Szenen. Jedesmal wenn ein Hochzeitspaar ankommt, gibt es Knaller. Ein alter Mann wird im Rollstuhl geschoben. Um ihn herum zwanzig junge Männer, die alle aussehen als wären sie seine Söhne. Zwölf Söhne Jakobs reloaded.
Und auch die kuwaitischen Männer tragen hier quasi alle ein Kopftuch:
die Keffiye.
Ein französischer Wanderer spricht mich an. Jamel Balhi ist im Netz und in der Realität als 'Coureur du Monde' unterwegs. Er spricht mich auf den deutschen Weltenradler schlechthin, Heinz Stücke, an. Der habe häufig bei ihm in Paris gewohnt. Wenn das so ist, habe ich mit Jamel schon einmal telefoniert. Als ich vor fünf Jahren versucht habe, mit Heinz Stücke Kontakt aufzunehmen, um ein paar Etappen mit ihm und der Kamera zusammen zu fahren. Daraus ist leider nichts geworden. Inzwischen ist Stücke in seine Heimat Hövelhof im Kreis Paderborn zurückgekehrt. Small world.
Der letzte große Akt: das Einchecken mit Fahrrad. Ich wasche mich zunächst im Dunkeln zwischen parkenden Autos. Es ist warm draußen.
Am Turkish Airlines Schalter winkt einer schon von weitem ab. So gehe das auf keinen Fall mit meinem Fahrrad. Ich will es ja auch erst noch verpacken.
Die Goodyear-Hülle aus Dubai ist schon leicht beschädigt. Aber es wird ganz ansehnlich. Außerdem stehen die Turkish-Mitarbeiter meinem Vorhaben recht positiv gegenüber, weil ich ja dafür extra zahlen muss. Zunächst wollen sie Geld pro Kilogramm. Ich nehme eine Radtasche, die schon auf dem Gepäckbank liegt, direkt wieder an mich, um das Gesamtgewicht zu reduzieren. Dann wollen sie doch Geld fürs Rad. 60 Dollar. 21 Kuwaitische Dinar (KD), nach ihrer Umrechnung. Kreditkartenzahlung nicht möglich. Ich soll wechseln. Habe zum Glück noch einen KD. Weitere 20 hole ich am Automaten.
Zudem brauche ich eine Extra-Genehmigung durch den Civil Administrator. Der will mir aber keine geben. Ich bräuchte eine Box, in die ich das Fahrrad stecken würde. Zwei weitere Männer unterstützen seine Meinung. Ich versuche zu diskutieren. Und verweise auf die vielen Flugreisen ohne "Box". Zeige Bilder vom Transport mit Kuwait Airways letzte Woche. Von Abu Dhabi nach Kuwait. Also könne der Flughafen offensichtlich doch Fahrräder mit solcher Verpackung händeln.
Das macht einen gewissen Eindruck. Vor allem bleibe ich stur. Wiederhole ruhig alle meine Argumente, die mir so einfallen. Und urplötzlich geht es doch. Wobei er natürlich keinerlei Verantwortung übernehme und ich dürfe mich nicht auf ihn berufen, aber wenn die Airline das mitmache, dann in Gottes Namen.
So habe ich Bapper Nummer eins. Doch als ich mit meinem Fahrrad auf dem Gepäckwägelchen zu Turkish Airlines zurückkomme, reicht das nicht. Ich brauche einen weiteren Bapper und ein Formular. Von den X-Ray-Leuten. Ich schiebe alles wieder quer durch den Flughafen. Die Verpackung wird immer schlechter. Zum Durchleuchten. Der Chef ist aber nicht da. Ansatzweise soll das Rad hier durch den X-Ray. Meine Erfahrung sagt, dass das bestenfalls mit Werkzeug geht. Das ist aber schon auf dem Weg zum Flugzeug. Aber so richtig wollen sie es auch nicht. Der Chef kommt, fühlt durch die dünne Verpackung nach Fremdkörpern. Schon habe ich den zweiten Bapper (Foto links) und das Formular. Jetzt wieder zu Turkish Airlines. Der Typ klebt den Gepäckaufkleber zur Abwechslung mal an die Speiche (Foto unten rechts in Frankfurt). Den kleinen Sicherheitsaufkleber, der zu jedem Fluggepäck gehört, hat er bei keinem einzigen Gepäckstück aufgeklebt. Prinzip Hoffnung. Kurz vor Mitternacht ist alles geregelt.
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