Eigentlich war es eine Dienstreise, diese Radtour von Mainz nach Ravensburg im Frühjahr 1999. Für das Sat.1-Wissen(schaft)smagazin Planetopia sollte und wollte ich Prof. Dr. med. Volker Faust in Ravensburg interviewen. Es traf sich gut, dass ich die Dreharbeiten auf den Dienstag nach Ostern legen konnte. So hatte ich die Gelegenheit, an den Tagen zuvor mit dem Fahrrad von Mainz bis fast an den Bodensee radeln und in Oberteuringen noch Ex-Kollegin Anke besuchen.
So hatte ich am Osterdienstag nur noch ein paar Kilometer zu der Interview-Location zurückzulegen. Prof. Faust war damals Medizinaldirektor am Zentrum für Psychiatrie in Ravensburg-Weissenau. Er hatte ein Buch über Manie geschrieben: "Manie: Eine allgemeinverständliche Einführung in Diagnose, Therapie und Prophylaxe der krankhaften Hochstimmung: Enke-Verlag. 1997"
Ich hatte alle 450 Seiten intensiv gelesen. Doch eine Stelle hatte mich besonders fasziniert: Fahrrad fahren kann Anzeichen für eine Manie sein. Donnerwetter. Es schien mir fast so, dass der Wiederbeginn meiner Radtouren wenige Monate zuvor mit meiner Tour von Mainz nach Straßburg manische Züge oder Züge einer Hypomanie hatte.
Es ist klar, dass jede sportliche Betätigung ein Mittel gegen Depression sein kann, somit auch das Fahrradfahren. Aber dass umgekehrt verstärktes Fahrradfahren Folge der Antipode der Depression sein kann, der Manie, einer überhöhten Grundstimmung?
Wenn dem so ist, kann es auch gefährlich werden. Denn die Manie kann einher gehen mit erhöhter Risikobereitschaft, Rastlosigkeit und ungehemmtem Verhalten. Alles Faktoren, die Fahrradfahren nicht sicherer machen.
Diese Tour im April war nun emotional auch bewegend, aber weit weg von jeder Manie. Gleichwohl gegenüber dem Comeback on the Bike im September lagen die Etappen über hundert Kilometer. Drei Tage hintereinander und durchaus mit einigen Höhenmetern im Schwäbischen verbunden.
So sehr Fahrradfahren zur seelischen Ausgeglichenheit beitragen kann: anders als beim Laufen das Runner's High versetzt mich das Radeln fast nie in eine künstliche Hochstimmung. Wenn ich große, lang verfolgte Ziele wie die Mittelmeer-Umrundung erreiche, kann das ein Anlass für Glücksgefühle sein. Aber es ist nie so wie beim Laufen, wenn zum Beispiel beim Marathon ein momentanes Gefühl überschäumenden Glücks aus der Körperbewegung heraus ausgelöst werden kann. (Text von März 2025)
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