Von dieser Tour gibt es keine Fotos. Zu spontan war der Aufbruch, zu behelfsmäßig mein möbliertes Zimmer auf dem Mainzer Lerchenberg eingerichtet. Es fühlte sich an wie ein Befreiungsschlag.
Nach den Schwierigkeiten meines beruflichen Wechsels von Leipzig nach Mainz, dreieinhalb Monate nach einem gefühlt erfolgreichen Start beim Wissen(schaft)smagazin Planetopia, waren neue Kräfte da.
Elf Jahren nachdem ich mit Hartmut von Straßburg auf nach Santiago de Compostela aufgebrochen war, machte ich mich wieder auf den Weg. Wochen zuvor hatte ich mich von Mainz rund 40 Kilometer weit nach Idstein gequält. Die ersten Berufsjahre hatten den Körper gelähmt.
Die geplante Rückfahrt ersparte mir Freund Heinrich mit einem Transport per Auto zurück über den Rhein. Jetzt also ging es an Rhein und Nahe entlang. Der Radweg verlor sich und über Wald und Wiesen durchquerte ich das Saarland nach Lothringen.
Mehr zufällig endete diese überhaupt nicht geplante Tour in Straßburg. Und auch danach hatte ich das Glück, gelegentlich mit dem Fahrrad hierhin zurückzukommen, wo ich im Herbst und Winter 1985/86 ein halbes Jahr lang Theologie und Journalismus studieren konnte. Die Fotos hier sind keineswegs vollzählig.
Und immer wieder zieht es mich und meine Mitradler*innen vor das Portal des Straßburger Münsters. Über dem immer wieder faszinierenden Tympanon der gotischen Westfassade, mit der 1284 begonnen wurde, prangt die große Fensterrose. das Radfenster von 1340.
Kaum zu fassen, dass ich aus dem Stand heraus wieder Etappen von um die hundert Kilometer bewältigt habe. Die Tour sollte zu einem Fanal werden, das mich innerhalb kürzester Zeit zu einer Art 'Weltenradler' machte, der Nordkap, Seidenstraße und Mittelmeerumrundung in Angriff nahm. Und damit war längst nicht Schluss.
Ein Comeback auf dem Rad, das ich seinerzeit für absolut unmöglich gehalten habe. Doch auch die Zeit und die Umstände hatten sich geändert. Fahrrad fahren war zum Lifestyle geworden. Fahrradtransporte waren auch mit dem Flugzeug erschwinglich geworden. Die Löhne stiegen Jahr um Jahr. Zusätzliche freie Tage dank Überstunden machten manche Tour möglich. Doch entscheidend blieb die Faszination an dem Erleben der Landschaft vom Fahrradsattel aus. (Text vom März 2025)
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